Wiedenegger: „Mit „ganz okay“ sollte man nicht zufrieden sein“
19.06.2024 Technologien & Prozesse Druckgussprozess Interview

Wiedenegger: „Mit „ganz okay“ sollte man nicht zufrieden sein“

Traditionelle Methoden überdenken und durch Innovation sowie Zusammenarbeit Produktionsprozesse in der Gießereiindustrie verbessern – darüber spricht Armin Wiedenegger, Managing Director des voestalpine Additive Manufacturing Center, im Interview. Wiedenegger ist spezialisiert auf 3D-Druck im Werkzeugbau und thematisiert, warum viele Unternehmen trotz klarer Vorteile zögern, in neue Technologien zu investieren.

Bild von Armin Wiedenegger Dr. Armin Wiedenegger, Managing Director voestalpine Additive Manufacturing Center GmbH
Herr Wiedenegger, holen Sie uns kurz ab. Was ist die Rolle des 3D-Drucks beim Aluminiumdruckguss?

Armin Wiedenegger: Unser Kernsegment sind 3D-gedruckte Werkzeugeinsätze mit optimierten Kühlkanälen, um den Aluminiumdruckgussprozess zu verbessern. Wir reduzieren also lokale Überhitzungen, um den thermischen Haushalt der Form auszubalancieren. Das schont das Werkzeug, verbessert die Zykluszeiten und senkt die Produktionskosten. Der ganze Prozess wird effizienter. Der wirtschaftliche Nutzen für Werkzeugbauer oder Druckgießer zeigt sich dann insbesondere in den Gesamtkosten der Aluminiumbauteile.

Was bedeutet wirtschaftlicher Nutzen in dem Zusammenhang?

Wiedenegger: Wenn wir bis zum gegossenen Bauteil denken, ist die Frage: Was kosten Aluminiumteile, die nach der Nacharbeit als gut befunden werden? Und wie beeinflusse ich das positiv? Oft – nicht immer – ist die Antwort neue Technologie. Überraschenderweise investieren Unternehmen aber auch dann nicht, wenn der Nutzen klar nachweisbar ist. Und ich glaube, das ist ein ernsthaftes Problem.

Was sind die Hauptgründe dafür, dass Unternehmen an traditionellen Methoden festhalten? 

Wiedenegger: Das liegt beispielsweise an organisatorischen Hürden oder daran, dass traditionelle Methoden bevorzugt werden, weil sie bewährt und „eigentlich ganz okay“ sind. Aber mit „ganz okay“ sollte man nicht zufrieden sein. Die Ineffizienz führt dazu, dass wir im globalen Wettbewerb Nachteile haben, weil unsere Aluminiumbauteile teurer sind als die der Konkurrenz. Globale Wettbewerber sind deutlich risikoafiner, diese „probieren auch einmal aus“, investieren in Werkzeugtechnologie und können dadurch – trotz geringeren gießtechnischen Know-how – die Teilekosten senken. Die europäische Gießereiindustrie kennt die besseren Lösungen, führt aber die falschen Diskussionen. 

Wie lässt sich der Trend Gigacasting dann erklären, Herr Wiedenegger?

Wiedenegger: Gigacasting ist das perfekte Beispiel. In wenigen Jahren haben Unternehmen mit null Erfahrung im Gießen eine Technologie gemeistert, bei der die breite Masse gesagt hat: Das macht keinen Sinn. Warum? Die kannten kein „wie immer“. Sie mussten auf die Expertise ihrer Lieferanten vertrauen und haben so viel schneller Lösungen erarbeitet, die neuartig und wirtschaftlich sind.
Ich würde sogar sagen: Innovationen werden nicht von dominanten Unternehmen getrieben, sondern von Neueinsteigern. Früher oder später ist jedes Produkt und jede Technologie überholt. Und nur ganz wenige Firmen schaffen es, sich kontinuierlich zu erneuern. Es gibt außerdem zu wenig Kooperation in der Wertschöpfungskette. Das hindert Innovationen zusätzlich.

Warum liegt das, dass die Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette oft nicht funktioniert?

Wiedenegger: Es gibt viele Gründe. Eine effiziente Zusammenarbeit würde beispielsweise eine enge Abstimmung erfordern, was oft an Misstrauen scheitert. Häufig profitieren aber auch nicht alle Beteiligten gleichermaßen von Prozessoptimierungen. Das erschwert die Implementierung neuer Technologien ebenso.

Kann beispielsweise der Executive Circle hier einen Mehrwert bieten?

Wiedenegger: Der Executive Circle kann eine Plattform bieten, auf der sich die handelnden Personen kennenlernen und austauschen können. Das schafft Vertrauen und fördert sicherlich die Zusammenarbeit. Letztendlich liegt es jedoch an den Unternehmen selbst, dieses Kennenlernen in Kooperationen umzuwandeln und in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren und zu nutzen.

Zusammengefasst, was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Maßnahmen, um die Gießereiindustrie voranzutreiben?

Wiedenegger: Kurz und knapp: Innovation durch Kooperation. Die deutsche oder europäische Gießereiindustrie war lange erfolgreich, aber Zeiten ändern sich. Unternehmen sollten aufhören, alles allein machen zu wollen und die Expertise von Lieferanten und Partnern annehmen. Kooperation und ein offener Innovationsprozess sind entscheidend und die Technologien, die daraus entstehen, zahlen sich aus.
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