HPDC Coffee Talk 3: "Wo geht die Reise hin?" über aktuelle Themen, mit den Entscheidern der Branche
Die weltweite Entwicklung der Aluminium-Druckgussindustrie ist aktuell in einem turbulenten Umfeld und befindet sich an einem historischen Meilenstein. Zu keinem Zeitpunkt der letzten fünfzig Jahre sind jemals so viele Herausforderungen und bedeutende Ereignisse gleichzeitig aufgetreten, wie das aktuell der Fall ist.
In einer Serie von drei Coffee-Talks diskutiert Johannes Messer Consulting mit vier Entscheidern der HPDC-Branche, wirtschaftliche, technologische und internationale Themen im Kontext der aktuellen Herausforderungen.
Das Thema des dritten Talks:
„Wo geht die Reise der Aluminium Druckguss Branche in den Hauptregionen der Welt hin?“
Messer: Ich freue mich auf unseren dritten Austausch. Heute haben wir uns zum Thema „Wo geht die Reise der Aluminium Druckguss Branche in den Hauptregionen der Welt hin?“ verabredet. Lassen Sie mich mit einer provokanten Frage starten: Haben Mexiko, Indien und China die „alten“ Druckguss-Regionen USA, Japan und Europa abgehängt?
Mendler: Um die Frage zu beantworten, muss ich etwas ausholen. Meine Erfahrung in Japan ist, dass japanische Firmen, wenn die Technologie lokal vorhanden ist, bevorzugt mit japanischen Firmen zusammenarbeiten. Erst wenn eine Technologie lokal nicht vorhanden ist oder ausländische Technologie deutliche Vorteile bietet wird ein ausländischer Partner in Betracht gezogen. Auch sind die Japaner bekannt dafür, dass validierte Prozesse sehr selten angepasst werden.
Dies erklärt meiner Meinung nach, wieso die großen drei japanischen Kundengießer Ahresty, Hiroshima und Ryobi gemeinsam mit den Inhouse-Gießereien der OEMs und Tier 1 den Markt technologisch und wirtschaftlich sehr gut abdecken.
Neue Technologien, wie zum Beispiel Megacasting oder Rheocasting, ermöglichen jedoch neue Kooperation und Chancen mit japanischen Firmen in Japan und auch außerhalb von Japan.
Heinrich: Wir sehen das auch so. Einerseits in Japan, aber noch mehr bei japanischen Gießereien in anderen Regionen der Welt. Ahresty und Ryobi sind in fast allen wichtigen HPDC-Regionen weltweit zu finden. Ich habe mich schon immer für die Technologie der japanischen Gießereien interessiert. Japanische Gießereien waren schon immer sehr innovativ, wenn es um das Wärmemanagement von Druckgussformen ging. Wir verfolgen das gleiche Ziel. Es geht darum, die Prozesse durch Innenkühlung der Formen reproduzierbar zu machen und damit die Qualität zu optimieren, Qualitätsschwankungen zu eliminieren, Zykluszeiten zu reduzieren und die Lebensdauer der Formen zu verlängern.
Müller: Ich glaube die geringe Präsenz der europäischen, aber auch anderer internationaler Gießer am japanischen Markt wird sich auch kurzfristig nicht ändern. Das aktuell auch in Japan zu erwartende Wachstum werden die etablierten Marktteilnehmer unter sich aufteilen.
Messer: Einfacher scheint es, für die europäischen Gießer, sich in den USA zu etablieren. Mir fehlen nur die positiven Projekte, um europäischen Gießereien diesen Schritt zu empfehlen. Wie sehen Sie die USA?
Wiedenegger: Die USA sind auf jeden Fall ein interessanter Markt. Experten prognostizieren dort auch für die nächsten Jahre ein attraktives Wachstum. Einfach ist der Markt sicher nicht. Eine besondere Herausforderung sehe ich beim Thema Personal. Qualifiziertes Personal zu bekommen und langfristig zu binden ist in den USA eine noch größere Herausforderung als zum Beispiel in Europa.
Heinrich: Das kann ich aus Erfahrung bestätigen. Ihre Aussage Herr Messer, dass Ihnen die erfolgreichen Beispiele fehlen, möchte ich mindestens für unseren Zusammenschluss mit Fischer Tool & Die nicht stehen lassen.
Messer: Ich habe auch explizit die Gießer gemeint.
Müller: Fokussieren wir uns auf Nordamerika, mit unserem Standort in Canada sind wir durchaus zufrieden. Das Potenzial für Wachstum ist enorm, doch um dieses auszuschöpfen benötigt es einen höheren Ressourceneinsatz im Vergleich zu Europa.
Mendler: Tatsächlich tun sich europäische Gießer schwer, sich in USA mit einer lokalen Fertigung zu etablieren. Man darf jedoch nicht vergessen, dass es diverse sehr erfolgreiche lokale Gießer in Nordamerika (Mexico, USA und Canada) gibt.
Meiner Meinung nach ist vor allem das Personal auf dem Shopfloor und deren hohe Fluktuation die große Herausforderung in den USA, und damit deutlich grösser als in Europa.
Ich denke eine Variante wären Kooperationen von europäischen und nordamerikanischen Firmen.
Messer: Ist es besser, wenn man nach Mexiko geht, um in die USA zu kommen?
Wiedenegger: Sie sprechen sicher auf das Thema Nearshoring und das Freihandelsabkommen zwischen Mexiko, USA und Kanada (USMCA) an. Das ist sicher ein Argument für Mexiko, aber auf keinen Fall das einzige. Mexiko entwickelt sich mehr und mehr zu einer der führenden HPDC-Nationen weltweit. Wir sehen Mexiko als interessanten Zukunftsmarkt. Mit unserer Einschätzung scheinen wir in bester Gesellschaft.
Mendler: Mexico ist definitiv sehr interessant und hat als Zukunftsmarkt massiv an Attraktivität zugenommen, nicht nur für europäische Unternehmen.
Die beiden großen und bedeutenden Gießereien Nemak und Bocar sind die beiden Leuchtturm Unternehmen. Aber es gibt viele weitere lokale und internationale Firmen mit globaler Bedeutung. Wie für die USA sehe ich auch für Mexico, dass technologische Allianzen die lokale HPDC-Industrie stärken würden. Die sich abzeichnenden Erweiterungen des Produktportfolios (große Strukturteile bis zu Megacastings) könnten ebenfalls von solchen Technologie-Allianzen profitieren. Bezogen auf die Belieferung des amerikanischen Marktes müssen bei großen Strukturbauteilen die Logistikkosten zu den OEM berücksichtigt werden.
Heinrich: Aluminium-Gießereien (lokale und internationale) für die aktuellen Bedarfe gibt es in Mexiko. Der „Rest“ der Prozesskette ist nicht so gut vertreten. An dieser Stelle ist Handlungsbedarf.
Messer: Ich teile Ihre positive Einstellung zu Mexiko. Wie sehen Sie Indien im Vergleich zu Mexico?
Mendler: Indien ist von der Gießereilandschaft ähnlich wie Japan. Die großen lokalen Gießer Endurance, Jaya-Hind, Craftsman, Rico, Rockmann Industries, Sandhar Technoligies, Sundaram Clayton and Tata Motors Foundry teilen sich den indischen Markt. Das aktuell vom Markt benötigte Produktportfolio wird sehr gut lokal abgedeckt. Indien wird jedoch in den nächsten Jahren weiterwachsen, auch in Bezug auf das Produktportfolio. Strukturteile, E-Mobilitätsteile und Megacasting werden an Bedeutung gewinnen, genau wie in Mexiko. Weiter spüren wir eine Tendenz, dass indische Gießer mehr und mehr Richtung Europa und Nordamerika expandieren.
Müller: Wir beobachten auch, dass indische Gießereien Marktzugang in Europa suchen. Zum Teil durch Kauf von europäischen Gießereien oder dem Aufbau von kundennahen Entwicklungszentren. Die Treiber sind auf der einen Seite Technologiezugang und auf der anderen Seite die Nähe zu den europäischen Kunden (OEMs und Tier 1).
Heinrich: Ich möchte noch einmal auf Ihre Frage zurückkommen, „Wie sehen Sie Indien im Vergleich zu Mexiko?“ Auch ich sehe sehr viele Parallelen. Wie in Mexiko sehe ich Chancen für europäische und indische Unternehmen in der Zusammenarbeit.
Messer: Und welche Rolle spielt China?
Wiedenegger: Eine herausragende. Allein die Zahlen sind beeindruckend. Die Aluminiumgussproduktion in China ist vom Jahre 2000 mit 0,8 Mio. Tonnen auf 7,5 Mio. Tonnen im Jahre 2022 gewachsen. Im Jahr 2022 entsprach diese Produktionsmenge ca. 40 % der gesamten Aluminiumgussproduktion weltweit.
Mendler: Das sehen wir auch bei den Investitionen in neue Druckgussmaschinen. Die notwendigen Kapazitäten im Bereich HPDC wurden über die letzten Jahre massiv ausgebaut.
Heinrich: Das gilt ebenso für den Formenbau.
Messer: Und welche Rolle spielt dabei das Thema GIGA-Casting?
Mendler: Bei den von Dr. Wiedenegger genannten Produktionszahlen von 2022 spielt Megacasting noch eine untergeordnete Rolle. Megacasting ist jedoch ein gutes Beispiel für China und den chinesischen Weg, vor allem den „China-Speed“.
Tesla hat etwas ausgelöst, die chinesischen OEMs, vor allem die NEV OEMs, haben den Ball sofort aufgenommen und die Entwicklungen vorangetrieben. Erstaunlich ist auch, dass die lokale Zulieferindustrie sofort aufgesprungen ist. In China haben, im Unterschied zu USA, Europa und Japan, vor allem die Tier 1 und nicht die OEMs in Megacasting-Zellen investiert.
Müller: Ja, so haben wir China auch kennengelernt. Die Geschwindigkeit in China ist beeindruckend. Kapazitäten werden aufgebaut, auch wenn der Kundenbedarf geringer ist. Entscheidungswege und Initiative sind extrem schnell.
Messer: Das Thema Aufbau von Kapazitäten möchte ich gerne noch kurz ansprechen. Passiert beim Aluminium-Druckguss das gleiche wie bei der Autoindustrie? Experten behaupten, dass es in China aktuell Kapazitäten zur Produktion von ca. 50 Mio. PKW gibt. In China werden aber nur 30 Mio. PKW benötigt.
Heinrich: Überkapazitäten sind ein Thema. Es ist jedoch aktuell niemand in der Lage die genauen Zahlen zu benennen. Das gilt auch für den Formenbau.
Auch die chinesischen Unternehmen haben dieses Problem erkannt. Weiteres Wachstum in China ist aktuell nur schwer möglich. Als erste Reaktion ist zu erkennen, dass chinesische Unternehmen aktuell verstärkt außerhalb von China investieren.
Meine Herren mit Blick auf die Zeit müssen wir leider diese interessante Diskussion an dieser Stelle beenden. Ich würde mich freuen, wenn wir gemeinsam überlegen, ob wir unsere interessante Runde weiterführen, in welcher Form auch immer. Ich freue mich, gemeinsam mit Christopher Boss (NürnbergMesse) auf unseren nächsten Austausch beim EUROGUSS Executive Circle am 2.-3. Juli in Frankfurt.