Beim Megacasting ziehen nicht alle mit: Stellantis will auf Einsatz der Technologie verzichten
12.12.2024 Lightweight Trend Fachbericht

Beim Megacasting ziehen nicht alle mit: Stellantis will auf Einsatz der Technologie verzichten

Dank Herstellern wie Tesla oder Volvo gewinnt das Mega- bzw. Gigacasting in der Autobranche zunehmend an Bedeutung. Trotz der Vorteile bei Effizienz und Nachhaltigkeit weist die Technologie aber aktuell noch Herausforderungen auf, die etwa Stellantis noch zögern lassen, wie ein Hintergrundbericht aus dem Fachmagazin „Automobil Produktion“ zeigt:

3D Render von einem Megacasting Bauteil aus Metal
Aktuell arbeitet die Industrie daran, die wachsende Komplexität in der Automobilproduktion durch Konsolidierung der Materialprozesse in den Griff zu bekommen. Einen eigenen Lösungsansatz präsentierte Tesla Ende 2020: Im Karosseriebau des Model Y kam erstmals das Mega- oder Gigacasting zum Einsatz. Die Technologie schlug Wellen in der globalen Autoindustrie. Dabei bewegt sich die Technologie selbst in einem Spannungsfeld: Zwar ist die Homogenisierung und Standardisierung von Produktionsschritten bei allen Herstellern gegenwärtig, führende Autobauer zeichnen sich jedoch gerade durch ihre Anpassungsfähigkeit in den eigenen Abläufen aus. Inwieweit ist Megacasting also eine One-Size-Fits-All-Lösung?

 

Megacasting bei Volvo soll Ausschuss und Komplexität senken

Anirudha Shivappa, Advanced Engineering Leader Body Structures bei Volvo, kann über die Aktivitäten des Autobauers im Bereich des Megacastings Auskunft geben. Aktuell baut Volvo Cars im Werk Torslanda, wo die nächste Generation Elektroautos vom Band laufen wird, eine neue Gießerei auf. Das Gewerk soll mit dem Body Shop verbunden werden und Teile im Takt der Fahrzeugproduktion liefern. Laut Shivappa wird Volvo mit dem Megacasting rund 100 gepresste Bauteile durch ein einzelnes Element ersetzen. 

Überlegungen zur Nutzung von Aluminium und entsprechende Nachhaltigkeitsbestrebungen haben die Entscheidung des Autobauers in Richtung Megacasting geprägt. „Bei Volvo glauben wir daran, das richtige Material für die richtige Applikation einzusetzen“, erklärt der Experte. Seit 2020 habe man das Potenzial der Technologie sorgfältig geprüft. „Der Business Case für Megacasting hat gewaltige Vorteile gezeigt – etwa reduzierte Komplexität und Einsparungen beim Gewicht“, erklärt Shivappa. Hinzu komme eine bessere Ökobilanz durch die Nutzung von emissionsarmem Aluminium und eine vereinfachte Logistik.  

 

Schnell neue Kompetenzen aufbauen

Durch das Einschmelzen von nicht genutzten Elementen vor Ort erreiche man nun eine Nutzungsquote von etwa 95 Prozent des Materials. „Das hat uns klar gemacht, dass wir einen Schritt in die richtige Richtung gehen“, so der Volvo-Experte. 

Aber die Technologie offenbart auch Herausforderungen für die Schweden. „Die größte Herausforderung ist, dass die Technologie immer noch neu ist – für Volvo ebenso wie für den Rest der Autobranche“, so Shivappa. Man müsse also schnell neue Kompetenzen aufbauen – etwa im Bereich Materialqualität oder Simulation. Hierfür habe man vor dem Produktionsstart aber genügend Zeit eingeplant.

Arnaud Deboeuf Portrait Arnaud Deboeuf, Produktionschef bei Stellantis

Warum Stellantis bei Gigacasting skeptisch ist

 

Durch die vergleichsweise kurze Zeit, in der sich die Technologie in der Praxis bislang bewähren konnte, und aufgrund der entsprechenden Kinderkrankheiten ist jedoch nicht jeder Hersteller von den Vorteilen des Gigacastings überzeugt. Vor Medienvertretern äußerte etwa Arnaud Deboeuf Vorbehalte gegenüber dem Verfahren: Der Produktionschef von Stellantis werde das Gigacasting im eigenen Einflussbereich nicht einführen. Im Rahmen des jährlichen „Factory Booster Day“ mit Zulieferern und Partnern führt Deboeuf zudem an, der Autobauer sei eher an Lösungen interessiert, die sich schnell und ohne große Umbauten der Werke implementieren ließen. Man verbessere die eigene Produktion sehr pragmatisch und Schritt für Schritt als Reaktion auf eigene Schwierigkeiten.

Darüber hinaus habe man bei Stellantis, wo man sich intensiv mit dem Tesla-System beschäftigt habe, keine Vorteile des Gigacasting erkennen können, die die Kosten und mögliche Komplikationen bei der Implementierung und dem Betrieb ausgleichen würden. Weitere Probleme der Technologie seien etwa die Auswirkungen auf Fahrzeugreparaturen oder den entsprechenden Aftermarket. 

Fortschritte beim Megacasting auf der EUROGUSS präsentiert

Bei Volvo betont man derweil, dass die aktuelle Technologie noch immer die erste Generation des Megacasting ausmache. „Wir haben eine Reise vor uns, bei der es darum gehen wird, zu lernen und die Systeme zu verbessern“, sagt Anirudha Shivappa. 
Neben der Autoindustrie machen auch die Anbieter von Druckgusssystemen Fortschritte beim Megacasting. Unter anderem wurden im Rahmen der Fachmesse EUROGUSS Systeme für Front- und Seitenstrukturen, Batteriegehäuse und sogar komplette Unterböden präsentiert, die in den kommenden Jahren vermutlich in der Industrie ankommen werden. So könnte künftig die Qualität und Kostenstruktur des Megacastings deutlich optimiert werden.


Dies ist eine bearbeitete und gekürzte Fassung aus „Automobil Produktion“. Den vollständigen Artikel finden Sie hier.
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Autor

Ilkhan Ozsevim

Redaktion Automobilproduktion