„In dieser Technologie liegt enorme Dynamik“: Global Giga-Casting Congress in Kassel verspricht spannende Einblicke
Am 5. und 6. März 2025 öffnet der erste Global Giga-Casting Congress in Kassel seine Türen für die internationale Fachwelt. Organisiert vom Fachgebiet für Gießereitechnik (GTK) der Universität Kassel bearbeitet der Kongress ein breitgefächertes Themenspektrum. EUROGUSS 365 sprach mit Fachgebietsleiter Martin Fehlbier über die Ziele und Inhalte der Veranstaltung sowie die Zukunft des Gigacastings im Allgemeinen.
Herr Professor Fehlbier, was hat Sie dazu inspiriert, den Global Giga-Casting Congress ins Leben zu rufen?
Martin Fehlbier: Das GTK-Gießereikolloquium der Universität Kassel findet turnusmäßig alle zwei Jahre statt und soll der Fachwelt ausgewählte Themengebiete auf hohem Niveau präsentieren. Nach den Anfängen von Giga-Casting durch Tesla und Elon Musk, manche verwenden ja lieber den Begriff „Large structural casting“, um eben diesen Bezug zu vermeiden, haben immer mehr Firmen insbesondere auch im asiatischen Bereich diese Technologie aufgegriffen und mit hohem Aufwand weiterentwickelt. Manche Unternehmen gehen allerdings bewusst andere Wege, beschränken die Teilegrößen, sind bestrebt die Maschinenschließkräfte bis 4.400 Tonnen voll auszureizen und setzen auf gezielte Verbindungstechniken, um großflächige Fahrzeugstrukturen darzustellen.
Diese verschiedenen Sichtweisen und Strategien sollen aus dem globalen Blickwinkel der verschiedenen OEMs, der Gießereien und Zulieferer beleuchtet, neue Technologietrends und Strategien sollen vorgestellt und diskutiert werden. Damit wird das GTK-Gießereikolloquium vermutlich so international werden wie noch nie. Wir haben Maßnahmen zur Simultanübersetzung von Deutsch, Englisch, Chinesisch und Japanisch ergriffen, um allen Congress-Teilnehmern die bestmögliche Plattform an einem neutralen Universitätsstandort zu ermöglichen.
Giga-Casting wird als revolutionär für die Automobilindustrie bezeichnet. Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung und welchen Einfluss hat diese Technologie auf die Branche insgesamt?
Martin Fehlbier: Giga-Casting ist bei vielen OEMs nicht mehr in der Entwicklungsphase, sondern wird bereits für Serienanwendungen im Bereich Vorder- und Hinterwagen sowie Batteriekästen eingesetzt. Für die Zukunft planen einige Unternehmen, insbesondere chinesische Elektrofahrzeughersteller, den gesamten Fahrzeugunterboden, der aufgrund seiner flachen Geometrie besondere Vorteile bietet, aus einem Guss zu produzieren.
Wurde die erste Giga-Casting-Gießzelle erst 2020 von Tesla in Betrieb genommen, so waren es 2023 weltweit bereits etwa 40 Aggregate und 2025 wird deren Anzahl auf über 100 ansteigen. BYD hat vor kurzem bekannt gegeben, in diesem Jahr monatlich jeweils zwei 9.000 Tonnen Giga-Casting-Gießzellen aufstellen zu wollen, insgesamt vielleicht sogar bis zu 100 Aggregate. Zellengrößen von 20.000 Tonnen Schließkraft und darüber werden bereits diskutiert. Das zeigt die enorme Dynamik, die in dieser Technologie liegt, und dass immer mehr OEMs auf den Zug aufspringen oder sich intensiv damit befassen. Man hofft, durch die Substitution unzähliger Einzelteile durch ein einzelnes Großgussteil die Produktionskosten in etwa halbieren zu können. Andere erhoffen sich zudem einen Leichtbauvorteil von 10 bis 15 Prozent.
Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Kongress und welche Erkenntnisse hoffen Sie, den Teilnehmern mit auf den Weg geben zu können?
Martin Fehlbier: Die am Kongress beteiligten OEMs kommen aus Asien, Nordamerika und Europa. Es wird es sehr spannend werden, deren Sichtweise und zukünftige strategische Ausrichtung zum Giga-Casting in den Blick zu nehmen. Zudem kommen Anlagenhersteller, Gießer, wichtige Zulieferer und Dienstleister zu Wort oder sind auf unserem Ausstellermarkt vertreten, ohne deren Spezialwissen die Einführung und Umsetzung niemals möglich wäre.
Da der Teufel bekanntlich im Detail liegt, werden auch sehr kritische, vielleicht sogar bislang ungelöste Aspekte und damit Herausforderungen an die Forschung angesprochen werden. Wir hoffen, dass sich für alle Kongressbeteiligten der Vorhang zum Giga-Casting weiter öffnet und dass die vorgestellten Sicht- und Herangehensweisen, aber auch Lösungsansätze dazu beitragen werden, die Komplexität des Gesamtprozesses tiefer zu durchdringen und zu verstehen.
Der Kongress richtet sich an ein internationales Publikum. Wie wichtig ist der globale Austausch für die Weiterentwicklung von Giga-Casting-Technologien?
Martin Fehlbier: Die Entwicklung von Giga-Casting erfolgt nicht flächendeckend, sondern geht von lokalen Aktivitäten einzelner OEMs und deren Zulieferer aus. Viele Zulieferer sind daher sehr international aufgestellt und entwickeln Speziallösungen zum Giga-Casting. Diese vielfältigen globalen Aktivitäten von den Beteiligten selbst, also den OEMs, Anlagenherstellern, Werkzeugbauern, Gießern und Nachbearbeitern, vis à vis vorgestellt zu bekommen und international zu diskutieren, das heißt, auch gezielt nachfragen zu können, stellt für alle Teilnehmer eine tolle Gelegenheit zum Austausch dar, die sich nicht jeden Tag bietet.
Das Programm des Kongresses deckt eine Vielzahl von Themen ab – von Strategien der OEMs bis hin zu neuen Werkzeug- und Legierungskonzepten. Gibt es einen Schwerpunkt, der Ihnen persönlich besonders am Herzen liegt?
Martin Fehlbier: Jeder Vortrag ist individuell und damit wertvoll. Es gefällt mir, dass die Strategie und Sichtweise der OEMs und Gießereien bis hin zu Nachbehandlung und Total Cost of Ownership zur Sprache kommen, aber auch Aspekte zum CO2-Footprint oder neue Entwicklungen zum Großguss von Magnesiumkomponenten in China, Stichwort Thixomolding. Wir als Lehrstuhl für Gießereitechnik sind natürlich an all diesen Themen aus der Forschersicht interessiert. Wir haben aber auch eine intrinsische Motivation, den Standort Deutschland und Europa zu stärken. Wir sind davon überzeugt, dass man voneinander lernen kann und es für alle eine Win-win-Situation gibt. Daher hoffen wir, dass wir mit unserer unabhängigen universitären Plattform zum technologischen Austausch einen kleinen Teil zur Stärkung der Gießereiindustrie beitragen können.
Abseits der Fachvorträge ist auch ein geselliger Austausch beim Gießerei-Abend in der Alten Brüderkirche geplant. Welche Rolle spielt Networking auf einer Veranstaltung wie dieser?
Martin Fehlbier: Die Alte Brüderkirche bietet ein besonders schönes Ambiente mit Musik und gutem Essen. Das Interieur haben wir so geplant, dass ein Austausch in lockerer Atmosphäre mit bis zu 20 Personen im Schnitt möglich sein wird, hierzu gibt es ausgeklügelte Konzepte. Neben dem fachlichen Austausch hoffen wir natürlich, mit unserer Veranstaltung auch einen kleinen Beitrag zur Völkerverständigung in diesen bewegten Zeiten leisten zu können.
Vielen Dank für das Interview!
Vielfältiges Programm für Fachleute
Der Global Giga-Casting Congress bietet ein umfassendes Themenspektrum. Ob Strategien von OEMs und Zulieferern, Konzepte für Fahrzeugdesign und High-Pressure-Die-Casting-Anlagen oder Innovationen bei Legierungen, Bearbeitungsverfahren und Simulationstechniken – fast alle Aspekte des Gigacastings kommen zur Sprache. Praxisberichte sowie Forschungsergebnisse ergänzen die Veranstaltung. Das Campus Center der Universität Kassel am Holländischen Platz lädt durch seine offene Architektur und zentrale Lage zum Netzwerken ein.
Anmeldungen sind bis noch 21. Februar möglich: hier anmelden