Giga Press-Erfinder Richard Oberle im Interview: „Es hat genau so funktioniert, wie wir das auf dem Reißbrett hatten.“
Richard Oberle (84) aus Elsenfeld bei Aschaffenburg ist einer der Erfinder der Giga Press. Sie versetzt Tesla in die Lage, Strukturteile in früher ungekannter Größe zu gießen, und ist auf dem besten Weg, den Automobilbau weltweit zu revolutionieren. Dafür erhielt der Ingenieur mit fränkischen Wurzeln jetzt zusammen mit seinem Idra-Kollegen Fiorenzo Dioni den Europäischen Erfinderpreis. EUROGUSS 365 hatte Gelegenheit, Oberle zum Gewinn und seinem Weg dorthin zu befragen.
Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Europäischen Erfinderpreises, Herr Oberle. Wie fühlt sich das für Sie an?
Richard Oberle: Das fühlt sich an wie ein Lottogewinn, aber so viel Freude kann man auch mit einer Million nicht erzielen. Also Freude pur, nicht nur für mich persönlich, sondern für die Firma und die Kollegen. Es ist ungeheuer, wie viele Menschen daran Anteil nehmen, auch in meiner alten Heimat bei Aschaffenburg. Viele haben geschrieben, haben sich gefreut, und das gleiche passiert natürlich auch in Italien bei Idra. Großartig!
Hat Elon Musk als Tesla-Chef auch gratuliert?
Oberle: Er war noch nicht dabei, aber er ist vielleicht gerade auf irgendeinem Stern unterwegs. Jemand hat gemeint, wenn er Elon Musk wäre, würde er mir ein E-Auto vor die Türe stellen. Da habe ich gesagt, das wollen wir lieber nicht tun.
Haben sie den Herrn Musk mal persönlich kennengelernt?
Oberle: Nein, Amerika wird vom Kollegen Fiorenzo Dioni bearbeitet, während ich vorwiegend in Europa tätig bin, Die Kontakte zwischen Idra und Tesla laufen über Herrn Dioni und unseren Chef John Stokes.
Tesla hat Idra Einiges zu verdanken. Wissen Sie, wie viele Idra-Maschinen aktuell in den Tesla-Fabriken laufen?
Oberle: Es gab ja auch vor der Giga Press dort schon etwas kleinere Maschinen, die weiter im Einsatz sind. Ich kann das nur schätzen, aber ich würde sagen, zurzeit laufen bei Tesla weltweit an die 20 mittlere und große Maschinen.
Auch bei anderen Autoherstellern ist man dabei, Giga Press-Maschinen in die Produktion zu bringen. Verfolgen sie diese Entwicklung?
Oberle: Sehr gespannt verfolge ich die. Ich habe auch immer wieder Gelegenheit, mit deutschen Automobilherstellern zu sprechen. Die Reaktionen sind da unterschiedlich, von Begeisterung auf der einen Seite bis Abwarten auf der anderen Seite. Es geht um Rieseninvestitionen. Und in einer Zeit, wo gerade alles ein bisschen rückläufig ist, ist man sehr vorsichtig. Unsere deutschen Automobilhersteller müssen davon ausgehen, was sie heute amortisiert in der Werkhalle stehen haben. Das alles wegzuschieben, ist keine einfache Entscheidung. Wenn Gigacasting der richtige Weg ist, und ich glaube daran, wird er auch gegangen werden. Aber es wird noch Zeit brauchen.
Bevor Sie zu Idra wechselten, haben Sie bei der Firma Reis gearbeitet. Wann und wie zog es Sie vom beschaulichen Untermain über die Alpen nach Italien?
Oberle: Ich war damals schon zehn Jahre bei Reis und habe mich sehr wohl gefühlt. Nur habe ich mir gesagt: Wird es das jetzt sein, wirst du die nächsten 30 Jahre in diese Firma gehen? Ich war einfach neugierig auf Anderes. Ende 1973 habe ich dann diese Anfrage aus Italien bekommen und zusammen mit meiner damaligen Frau haben wir uns entschlossen, nach Italien zu ziehen.
Sie waren bis 1979 bei Idra, dann haben Sie lange für Parker Hannifin gearbeitet und sind 2016 im Alter von 76 Jahren als Berater wieder zu Idra wieder zurückgegangen. Da beziehen die meisten schon lange ihre Rente.
Oberle: Da war noch etwas, was gelöst werden musste: Als ich 1974 bei Idra anfing, hatte man mir den Auftrag gegeben, mich um ein Problem auf der Einpressseite unserer Maschinen zu kümmern. Da waren Druckschläge, die unsere Ventile zerstörten, Maschinenstillstände hervorriefen und man verstand nicht, woher das kommt. Ich habe mich damals damit beschäftigt, konnte allerdings dieses Problem nicht ansatzweise lösen. Auch in der Zeit, wo ich bei Parker war, ist mir das Problem immer wieder begegnet. Dort habe ich dann ein Patent angemeldet, was dieses Problem gelöst hat, und habe das auch zur Anwendung gebracht, zum Beispiel bei VW in Kassel. Eine ganze Reihe von Maschinen wurde umgebaut und funktioniert bis heute sehr gut. 2016 kam ich zurück zu Idra mit der Aufgabe, etwas Vergleichbares zu entwickeln, das nicht in diese Patentgeschichte eingreift. Und es ist auch gelungen, ein neues Patent zu machen mit ganz anderen Lösungsansätzen.
Was ist Ihr Anteil an der Entwicklung der Giga Press?
Oberle: Ich war involviert in die gesamte Entwicklung, ganz besonders des Hydraulikteils. Wir hatten vor der Giga Press Maschinen mit maximal 4000 Tonnen Schließkraft. Eine Giga Press ist mehr als doppelt so groß. Das ist natürlich ein ganz gewaltiger Akt für die Hydraulik, denn wir wollten ja keine lahme Schnecke bauen. Elon Musk sagte, wir brauchen kurze Zykluszeiten, noch schneller als bei den kleineren Maschinen. Das hieß, wir mussten uns sehr viel einfallen lassen. Da war meine Erfahrung sehr gefragt und im Zusammenhang mit dem „5S“-Konzept für die Einpressseite war das die ideale Kombination. Es hat genau so funktioniert, wie wir das auf dem Reißbrett hatten. An solchen Sachen kann man auch scheitern und dann ist der Schaden riesengroß.
Wie lange wollen Sie sich noch für den Druckguss engagieren?
Oberle: Diese Frage hat man mir schon vor 20 Jahren gestellt und damals habe ich geantwortet: Ich weiß es nicht. Sicherlich habe ich mich dieses Jahr etwas zurückgenommen. Ich bin nicht mehr so oft vor Ort, aber ich werde noch das eine oder andere tun können. Ich werde auch noch eine neue Steuerung machen können. Ich weiß noch nicht, wann ich ganz aufhöre, aber ich lasse es jetzt etwas ruhiger angehen und nehme mir mehr Zeit für die Familie und für mein Hobby, Golf zu spielen.
Wie ist denn Ihr Handicap?
Oberle: Das ist hoch, es liegt bei 51. Und warum? Weil ich zu wenig auf dem Golfplatz war, die letzten Jahre. Aber dieses Jahr wird es besser. Ich arbeite dran.