Clemens Küpper: „Wir sind uns sicher, dass nur mit uns der technische Fortschritt sinnvoll gestaltet werden kann.“
08.07.2024 Branche & Märkte Interview

Clemens Küpper: „Wir sind uns sicher, dass nur mit uns der technische Fortschritt sinnvoll gestaltet werden kann.“

Clemens Küpper, Sprecher der Geschäftsführung der Eisengießerei Baumgarte, ist der alte und der neue Präsident des Bundesverbands der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG). Das neu gewählte Präsidium bestätigte ihn in Düsseldorf für weitere drei Jahre in seinem Amt. EUROGUSS 365 interviewte Küpper zu den anstehenden Herausforderungen der Verbandsarbeit.

Wiedergewählt: Clemens Küpper, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Gießerei-Industrie Wiedergewählt: Clemens Küpper, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Gießerei-Industrie

Herr Küpper, Sie haben gesagt: „Ich habe mich erneut zur Wahl gestellt, obwohl ich wusste, was mich erwartet.“ Was erwartet Sie denn?

Clemens Küpper: Im Vergleich zur letzten Wahl hat sich die Lage in unserem Land weiter derart zugespitzt, dass es immer mehr persönlichen Engagements bedarf, um in der Verbandsarbeit erfolgreich zu sein. Die Interessen einer Branche zu vertreten, die einen so hohen Beitrag an der Circular Economy hat, die gute Arbeitsplätze bietet und modernste technologische Lösungen hervorbringt, scheint eigentlich leicht. Aber diese Interessen gegen ein Desinteresse oder zumindest gegen Uninformiertheit mancher Politiker zu vertreten, dass sind Herausforderungen, die neu und ausgesprochen anspruchsvoll sind. Gemeinsam mit allen Kollegen und Kolleginnen aus Verband und Mitgliedschaft gegen das immer wieder erfahrene Ohnmachtsgefühl anzuarbeiten und nicht nachzulassen, das wird weiter auf uns zukommen. Solange bis erkannt wird, dass unsere Leistung und die Leistung aller Metaller den großen Wettbewerbsvorteil in unserem Land erzeugt und vielleicht sogar die DNA unseres Industrielandes darstellt.

Welche Projekte möchten Sie in der neuen Amtszeit in den Mittelpunkt Ihrer Arbeit stellen?

Küpper: Der BDGuss ist ein Mitgliederverband. Hier entscheidet nicht einer allein, sondern die Mitglieder bringen sich über Gremien, Vorstände bis zum Präsidium mit ihren Vorstellungen ein. Diese Aufgaben und Strategien werden dann von Düsseldorf aus, vom Haus der Gießereiindustrie mit Hauptgeschäftsführung und fast 40 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, übernommen und dienen als Grundlage unserer Arbeit. Die Hauptaufgaben werden unter anderem sein, immer am Puls der Zeit zu sein und ständig einen Überblick über das technische und politische Geschehen zu haben. Ein extrem wichtiger Teil ist hierbei die Mitarbeit in den Gremien der EU und die Mitgestaltung der Dinge, die von dort kommen. Ein weiterer Schwerpunkt wird die Lobbyarbeit bzw. erklärende Tätigkeit in Bund und Ländern sein. Dazu ist der Verband zunehmend direkt aktiv und bietet außerdem allen Mitgliedern vielfältige Unterstützungen an. Für die Branche wird die Nachwuchsgewinnung ein weiter wichtiges Thema sein. Hier setzen wir stark auf die Fortführung bereits gestarteter Projekte. 

Wie wollen Sie den Druck auf die Politik für eine bessere Industriepolitik hochhalten angesichts gesunkener Energiepreise? Was kann der BDG von den Bauern lernen?

Küpper: Es ist nicht einfach, die vielen Informationen rund um das Thema Energie zu beschreiben, wenn man sich nicht täglich damit beschäftigt. Eine Gießerei, die mit Gas schmilzt, hat aktuell mit weiter hohen Gaspreisen zu kämpfen. Und mit kämpfen meinen wir, diese Kosten an den Kunden weiterzugegeben, da diese so enorm höher sind als vor dem Krieg, dass ein Unternehmen diese nicht allein tragen kann. Der Gaspreis ist aktuell immer noch deutlich höher als früher. Unternehmen, die mit Strom schmelzen, merken das genauso. Nach dem Merrit Order Prinzip ist der teuerste Anbieter derjenige, der den Preis bestimmt. Das führt aktuell und vermutlich auch in Zukunft zu einem zwei- bis dreifachen Strompreis, verglichen mit dem Vorkrisen-Niveau. Dazu kommen bei uns in Deutschland noch die Netzendgelte, die zurzeit bei circa fünf Cent liegen. Damit sind die Stromkosten weiter deutlich höher als bei unseren Wettbewerbern. Natürlich schmelzen wir unsere Metalle mit maximalen Schrottanteilen und sparen damit allein schon massiv Ressourcen und Energie, aber die Gießtemperatur muss einfach erreicht werde und dazu wird viel Energie benötigt. Für unsere Eisengießerei beträgt der Energieanteil 15–20 Prozent und stellt damit einen massiven Kostenblock in der Ergebnisrechnung. 

 
Clemens Küpper beim Zukunftstag der Gießerei-Industrie Clemens Küpper beim Zukunftstag der Gießerei-Industrie

Zu Ihrem Stichwort, den Bauern: Wir sind der Auffassung, dass ein ähnlicher Spruch, umgemünzt auf unsere Branche („Ist der Gießer ruiniert, wird Dein Eisen importiert“), nicht durchsetzungsstark gewesen wäre. Auch Klebeaktionen oder Ähnliches haben wir nicht in Erwägung gezogen. Das Image eines Landwirtes ist ein deutlich anderes als das der mittelständischen Industrie. Einen gesellschaftlich relevanten Druck auf Politiker zu erzeugen, gelingt uns deutlich schlechter als den gerade angesprochenen Landwirten oder vielleicht den Pflegekräften. Das hat sicherlich viele Ursachen. Unter anderem ist die Kenntnis um die Wichtigkeit der deutschen Gießereiei-Industrie für das Steueraufkommen, die Beschäftigung und die industrielle Exportführerschaft nicht überall ausreichend verbreitet. Wir sehen das auch daran, wie locker viele Entscheider in der Politik Unternehmensverlagerungen, Schließungen und Insolvenzen nehmen. Vielleicht nehmen sie diese auch ernst, aber das wird uns nicht auf der entsprechend höchsten Ebene widergespiegelt.

Die Automobilbranche ist der größte Kunde der Gießerei-Industrie. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen erhöhter Einfuhrzölle für E-Autos aus China auf Ihre Branche?

Küpper: Die Auswirkungen der Zollanhebung für chinesische E-Autos auf die deutsche Gießerei-Industrie lassen sich gegenwärtig nur schwierig abschätzen. Vieles steht und fällt mit etwaigen Gegenmaßnahmen der chinesischen Seite.

Als Industrie, deren Komponenten neben der Automobilindustrie in sämtlichen anderen Industriezweigen zum Einsatz kommen, stehen wir grundsätzlich für offene Märkte und die 
Teilhabe an einem regelbasierten und freien Welthandel ein. Dieser ist für die exportorientierten Kunden unserer Unternehmen und uns selbst elementar. Ein Handelskrieg kann nicht im Interesse der deutschen Gießerei-Industrie sein. Vor wenigen Jahren haben wir Europäer den ehemaligen und womöglich auch zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump für seine Zollpolitik stark kritisiert. Dabei haben die USA sogar noch eine fundamental andere industrielle Handelsstruktur als wir, die wir vom Handel mit China import- wie exportseitig als Volkswirtschaft engere Verflechtungen aufweisen.

Gleichwohl gilt es, ein Level Playing Field zu schaffen. Und wenn die EU-Kommission systematische wettbewerbsverzerrende Maßnahmen der chinesischen Seite festgestellt hat, die unsere Prinzipien des Wirtschaftens einseitig missbrauchen, gilt es aktiv zu werden. Sonst ist das Regelwerk nicht viel wert. Etwaige von den deutschen Automobilherstellern angeführte chinesische Gegenmaßnahmen sehen auch wir mit Bedenken. Allerdings verschleiert dies ein wenig die Tatsache, dass eben diese Hersteller selbst Fahrzeuge aus ihren chinesischen Werken in die EU einführen und durch Beteiligungen an chinesischen Unternehmen in Teilbereichen von den Maßnahmen der EU-Kommission betroffen wären. 

Sollte, wovon erste Studien ausgehen, die Produktion von E-Fahrzeugen innerhalb Europas infolge der Zollanhebung gesteigert werden, trägt dies womöglich eher zu einer Stärkung der deutschen Zuliefererindustrie bei. Viele unserer Unternehmen leiden gegenwärtig darunter, dass die Produktion von E-Fahrzeugen zu schleppend hochgefahren wird und die Hersteller in der Vergangenheit falsche Signale gesendet haben. Dies ist schädlich für die Investitionsplanung der deutschen Gießereien. Wir sehen durch eine Fokussierung der Produktion innerhalb Europas somit in Tendenzen auch Elemente der Planungssicherheit von unzähligen mittelständischen Betrieben, welche für die industrielle Wertschöpfung bedeutsam sind.

Wichtig bleibt aber, dass die politischen Gesprächskanäle offen bleiben und es sich um fundierte regelbasierte Prozesse handelt, die nicht in einer wilden Zollschlacht enden. 

Was macht Ihnen aktuell Hoffnung, wenn Sie an die Zukunft der deutschen Gießerei-Industrie denken?

Küpper: Hoffnung ist keine Strategie – wir sind uns sicher, dass nur hier mit uns die beste technologische Entwicklung im Bereich Guss entstehen kann. Wir sind direkte Partner unserer Kunden und liefern viel Innovation für modernste Technik. Von anspruchsvollem Leichtbau im Pkw bis zu strömungsoptimierten Heizungspumpen und stabilen Maschinenbaubauteilen können wir die ganze Kette, der bei uns so erfolgreichen Industrie beliefern. Wir sind uns sicher, dass nur mit uns der technische Fortschritt sinnvoll gestaltet werden kann. Auch kann es keinen Sinn machen, mit schlechteren Umweltbilanzen in anderen Ländern die Bauteile über tausende von Kilometern hin und her zu fahren oder zu verschiffen. Es macht unbedingt Sinn, hier mit guter Arbeit und ökologisch sinnvoll Teile für die Zukunft zu fertigen. Teile, die für Maschinen und Anlagen gebraucht werden, die sofort und gut funktionieren, zuverlässig laufen und auch nach Jahren noch optimale Leistung bringen. 

Vielen Dank für das Interview!

Zur Person

Clemens Küpper erlernte den Beruf des Gießereimechanikers und schloss Studien in Duisburg und Bielefeld als Gießereiingenieur (Dipl.-Ing.) und Wirtschaftsingenieur (Dipl.-Wirt.-Ing.) ab. Er ist Sprecher der Geschäftsführung der Eisengießerei Baumgarte in Bielefeld-Brackwede und Geschäftsführer der Karlshütte in Bünde. Clemens Küpper ist Jahrgang 1967, gebürtig aus Bielefeld, verheiratet und Vater dreier Kinder.

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