„Die Branche ist sehr introvertiert“, sagte Eric Müller. In der Runde herrschte Einigkeit: Die Gießereiwelt redet kaum über sich selbst – weder mit politischen Entscheidungsträgern noch mit jungen Talenten oder technischen Fachplanern. Während Blech-, Strangpress- oder Batterietechnologie die Schlagzeilen und die Lobbyarbeit dominieren, bleibt der Guss oft unsichtbar. Staffan Zetterström brachte es auf den Punkt: „Der Guss ist stumm – das ist unsere Position in den Fluren der Macht.“
Dabei ist die Relevanz offensichtlich. „Ohne Druckguss gibt es keine Transformation im Transportsektor. Keine Chance“, betonte Müller. Ob E-Mobilität, 5G-Telekommunikation oder Leichtbau: Aluminium-Druckguss ist entscheidend. Doch diese Geschichte wird kaum erzählt – weder laut noch überzeugend.
Vom „schwarzen Loch“ zum Hightech-Arbeitgeber
Müller erinnert sich an veraltete Bilder: „Alle dachten, eine Gießerei ist ein schwarzes Loch. Dreckig, heiß, harte Arbeit.“ Während die Gießereien moderner geworden sind, seien die Vorurteile geblieben – und verhinderten, dass Nachwuchs nachrücke. „Wir müssen früher ansetzen“, forderte Müller. Schülerinnen und Schüler im Alter von 16 bis 20 Jahren müssten gezielt angesprochen werden: „Denn wer sich erst mal für IT entscheidet, den holst du kaum noch in die Gießerei.“
Auch Fabian Niklas stimmte zu: „Ich bin eher zufällig bei Mercedes in der Gießerei gelandet. Aber danach war ich begeistert.“ Der entscheidende Moment sei oft klein – ein Anruf, ein Video, ein erster Eindruck. „Wir müssen diesen Haken setzen“, sagt er.
Es fehlt an Schwung – nicht an Substanz
Die Branche hat nicht nur ein Imageproblem – sie verliert auch Wissen. „Das Durchschnittsalter in deutschen Gießereien liegt bei 47“, sagte Zetterström. „Jeder Fünfte geht bis 2030 in Rente.“ Gleichzeitig steigt der Bedarf an Druckgussteilen – etwa im Karosseriebau für E-Autos.
„Das Problem ist: Der Bedarf wächst, aber es fehlen die Leute, die die Teile entwickeln können“, sagte Müller. Und dieses Know-how geht verloren. Social Media könne helfen, den Kontakt zu neuen Zielgruppen herzustellen. „Wir müssen über die Branche reden“, glaubt Müller – auch wenn er zugibt: „Ich bin das schlechteste Beispiel, ich nutze weder TikTok noch Instagram…“ Dennoch ist er überzeugt: „Das ist der Weg, um junge Leute zu erreichen.“
Niklas hat einen konkreten Vorschlag: „Zeigt die Prozesse aus der Ich-Perspektive – aus Sicht eines Azubis oder Ingenieurs. Wie ich konstruiere, was ich bewirke und was am Ende daraus entsteht.“
Vom Werkstor nach Brüssel
Neben der Nachwuchsarbeit braucht es auch eine starke Stimme in der Politik. Zetterström fordert gezielte Lobbyarbeit – etwa bei Ausbildungsförderung und CO₂-Regulierung: „Es herrscht ein Handelskrieg – wir brauchen eine effektive Interessenvertretung.“ Sein Vorschlag: ein kleines, agiles Team, das sich ausschließlich mit der politischen Kommunikation für den Druckguss beschäftigt.
Müller stimmt zu: „Wir müssen als Branche eine gemeinsame Strategie entwickeln – und sie spürbar machen.“ Dazu brauche es Kooperation zwischen Maschinenbauern, Werkzeugmachern, Legierungsherstellern und Gießereien. „Wir müssen die Extrameile gehen – auch wenn sie keiner bezahlt.“
Stolz als Schlüssel
Ein Thema zieht sich durch das gesamte Gespräch: Stolz. „Gießer sind sehr stolz auf das, was sie tun“, erklärt Müller. Und genau das müsse nach außen getragen werden. Die Gießerei ist kein Nischenhandwerk, sondern ein Schlüssel zur Industrie der Zukunft.