Aber auch die zunehmende Elektrifizierung von Fahrzeugen verlagert den Markt für Gussteile. Die Branche bewegt sich weg von traditionellen Powertrain Gusserzeugnissen und hin zu Fahrzeugstrukturen, Fahrwerksteilen, Querträgern und Teilrahmen sowie Gehäusen und Batterieträgern.
Diese neuen Teile haben allerdings geringe Toleranzwerte und hohe mechanische Anforderungen, um die Unfallsicherheit zu gewährleisten. Das stellt Gusslieferanten vor neue Herausforderungen: Das Auswerfen derart großer Gussteile aus den Formen und Wärmebehandlungen, insbesondere schnelles Abschrecken, kann die Gussteile verformen. Diese Prozesse sind aber oft unvermeidlich, um die geforderten Eigenschaften zu erreichen.
Gusslieferanten können Wärmebehandlungen umgehen, indem sie selbsthärtende Legierungen oder einfaches T5 ausnutzen, aber auch dann erfüllen die Gussteile die strengen Toleranzanforderungen eher selten. Herkömmliche Verfahren wie das manuelle Richten reichen nicht mehr aus, um die auftretenden Verformungen zu bewältigen, und sind bei sehr großen Gussstücken auch nicht durchführbar.
Manuelle oder halbautomatische Richtverfahren sind in diesen Anwendungsfällen sehr zeit- und kostenaufwändig. Sie führen leicht zu weiteren Problemen und damit zu höheren Ausschussraten.Automatische, intelligente Richtsysteme, die sich durch selbstlernende Algorithmen (Künstliche Intelligenz - KI) anpassen, sind daher mehr und mehr die Lösung für Gießer. Sie ermöglichen die wirtschaftliche Herstellung großer und komplexer Gussteile mit hohen mechanischen Eigenschaften und engen Toleranzen.
Verformungen von Gussteilen
Aluminiumgussteilen verziehen sich typischerweise beim Gießen, beim Aufheizen, bei der Erwärmung und beim (schnellen) Abschrecken.
Während des Gießprozesses, in der Druckgussform oder Presse, durch
- Verkleben und Verlöten des Teils,
- Defekte in der Formoberfläche,
- mangelhafte Anschnittsysteme,
- ungleichmäßige Erstarrung und
- Eigenspannungen.
Beim Auswerfen und Entnehmen der Teile, aufgrund von
- unterschiedlichen Ausstoßkräften,
- unzureichenden Formschrägen.
Gussteile verziehen sich auch bei nachgelagerten Prozessen wie
- Sägen,
- Zerspanen und
- Schweißen von Baugruppen.
Am häufigsten verziehen sich Gussteile durch die Wärmebehandlung. Besonders hoch ist das Risiko, wenn sie heiß und damit weich sind oder schnell auf hohe Temperaturen erhitzt werden müssen. Nicht weniger problematisch ist das Abschrecken. Desto schneller das Abschrecken erfolgt, desto mehr verzieht sich das Gussteil. Ein effizientes Abschrecken nach dem Auswerfen aus der Gussform oder nach der Hitzebehandlung kann sehr wichtig sein, um hohe mechanische Eigenschaften zu erreichen.
Das Abschrecken ist allerdings auch der größte Faktor, der zum Verziehen beiträgt, insbesondere wenn die Abschreckgeschwindigkeit inhomogen ist. Wir sprechen von einer optimalen "Abschreckgeschwindigkeit", die den besten Kompromiss zwischen den gewünschten Eigenschaften und den zulässigen Verformungen des Gussteils darstellt. In vielen Fällen ist es jedoch sehr schwierig, diesen Kompromiss zu finden - und da Kunden von Zulieferern wahrscheinlich nicht bereit sind, Kompromisse bei den Eigenschaften oder Toleranzen einzugehen, muss eine Lösung gefunden werden, um die Verformungen in den Griff zu bekommen.
Um den Verzug zu kontrollieren und zu minimieren, wurde die Simulation des Prozesses und des Verhaltens des Werkstücks verbessert. Außerdem wurden technische Fortschritte bei den Wärmebehandlungsöfen erzielt und die Unterstützung während der Wärmebehandlung, die Abschrecktechniken sowie deren Temperatur und Bewegung optimiert. Wie so oft reichen auch diese Maßnahmen nicht aus, um gleichzeitig alle Anforderungen an die Eigenschaften und Toleranzen zu erfüllen. Daher werden Innovationen beim Richten von Gussteilen nun zunehmend in Gießereien und Montagebetrieben eingesetzt.
Grundlagen des Richtens
Unter Richten versteht man die Korrektur von Deformierungen durch plastische Verformung eines Teils, um es wieder in die vorgesehene Form zu bringen und die gewünschten Toleranzen zu erreichen. Das bedeutet, dass ein Abschnitt eines Teils über die elastische Verformung hinaus gedrückt wird. Sie federt nicht mehr zurück und liegt damit deutlich unter seiner Zugfestigkeit. Es ist wichtig, die elastische Rückfederung durch ein "Überbiegen" des Gussteils zu kompensieren. Das bedeutet, dass es stärker gebogen wird, als es notwendig wäre, um es in die richtige Form und Toleranz zu bringen. Das Gussteil kommt erst in der gewünschten Form an, wenn es "zurückgesprungen" ist. Da dieser Rücksprung und die Verformung des Teils nicht immer gleich sind, müssen diese Biege- und Richtprozesse manchmal mehrmals wiederholt werden - insbesondere bei manuellen oder halbautomatischen Richtverfahren. Dies macht es fast unmöglich, ein großes Gussteil mithilfe von Richtsystemen mit festen Parametern zu richten, wie in der Abgratpresse mit einem einzigen Pressvorgang.