Die in den Medien fortwährend erwähnten Begriffe „Digitalisierung“ und „Industrie 4.0“ stehen, einfach gesagt, für die Vernetzung von Maschinen und Prozessen mit Informations- und Kommunikationstechniken, die große Datenmengen mit hoher Geschwindigkeit übertragen und verarbeiten. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Internet. Wie das vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) organisierte „Forum Industrie 4.0“ auf seiner Homepage erklärt, wird die Digitalisierung alle Bereiche der Industrie erfassen und prägen. Das Forum, in dem die Gießerei-Industrie durch den VDMA/BDG-Arbeitskreis Gießerei 4.0 vertreten ist, bietet auch Veröffentlichungen zu Industrie 4.0 an und weist darauf hin, dass es die eine Lösung nicht gibt: „Ob Revolution oder evolutionärer Prozess – jedes Unternehmen muss seinen Weg zu Industrie 4.0 finden.“ [1]. Somit stehen auch Druckgießereien vor der Frage, welche Digitalisierungsmaßnahmen individuell sinnvoll sind, um kosteneffizienter zu arbeiten, wettbewerbsfähig zu bleiben sowie neue Dienstleistungen und Mehrwerte anbieten zu können.
Digitalisierung der Fertigung
Zulieferer der Druckguss-Industrie stellen digitale Technik bereit, mit der sich die Leistungsfähigkeit von Maschinen und Anlagen optimal ausnutzen lässt. Stuart Bashford zufolge, der für die Digitalisierungsstrategie des Druckgießmaschinen-Herstellers Bühler zuständig ist, interessieren sich viele Kunden des Unternehmens für Digitalisierungsmaßnahmen, mit denen ungeplante Ausfallzeiten – und die damit verbundenen finanziellen Verluste – reduziert werden können: „Mit unseren Algorithmen des maschinellen Lernens können wir zum Beispiel vorhersagen, wo und wann Ausfälle auftreten. So können unsere Kunden Wartungsarbeiten einplanen, ohne die Produktion zu unterbrechen.“ [2] Die „Predictive Analytics“-Methode von Bühler beruht auf der Analyse von Daten, die von verschiedenen, innerhalb einer Druckgießzelle installierten Sensoren geliefert werden, und ermöglicht es, die Leistung in Echtzeit zu überwachen. Unregelmäßigkeiten, unterdurchschnittliche Leistungen und Entwicklungen werden aufgedeckt, und es lässt sich vorhersagen, wo voraussichtlich ein Fehler auftreten wird, bevor dieser tatsächlich eintritt. Die Datenanalyse kann in der von Bühler bereitgestellten Cloud oder einem eigenen Netzwerk des Anwenders erfolgen [3]. Für alle Druckgießmaschinen-Fabrikate eignet sich beispielsweise das Cast Quality Control System (CQC) der Firma Electronics GmbH. Das universell einsetzbare Mess- und Monitoring-System beruht ebenfalls auf Sensoren, die an bestimmten Stellen der Druckgießzelle installiert werden und verschiedene Funktionen messen, wie zum Beispiel den Schließzylinderdruck, die Gießkolbenbewegung, die Bewegungen der Form während des Einpressvorganges und die Entlüftung von Druckgießwerkzeugen. Über den Schließzylinderdruck ist es zum Beispiel möglich, die Schließkraft zu regeln und konstant zu halten, was eine gleichmäßige Form- und Maschinenbelastung zur Folge hat. Die Maschinen- und Prozessdaten, die während der Produktion von Sensoren erfasst werden, geben nicht nur Hinweise auf den technischen Zustand von Produktionssystemen, sondern helfen letztlich, die Gesamtanlageneffektivität (Overall Equipment Effectiveness – OEE) zu optimieren und nachhaltig zu steigern.
Gussteile digitalisieren
Das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM konzentriert sich unter anderem darauf, Gussteile mit Digitalisierungstechniken zu kombinieren. Die vom IFAM entwickelte „Casttronics-Technologie“ umfasst RFID-Transponder, die in Aluminium-Druckgussteile direkt eingegossen werden, und eine Software, mit der Transponderdaten ausgelesen, verwaltet und analysiert werden können. Damit ist es möglich, Teile dauerhaft zu kennzeichnen, sie vor Plagiaten zu schützen und die gesamte „Supply Chain“ der Teile von der Herstellung über die Nutzung bis hin zum Recycling mitzuverfolgen [4].
Ganzheitliche Denkweise
Um digitale Techniken in einer Druckgießerei optimal nutzen zu können, muss deren Betriebsgeschehen durch Zahlen ganzheitlich erfasst werden. Es gilt, Daten in Wissen umzuwandeln, Zusammenhänge zu verstehen und die Erkenntnisse für die Fertigung zu nutzen [5]. Franz-Josef Wöstmann, Abteilungsleiter Gießereitechnologie und Leichtbau am IFAM, geht noch einen Schritt weiter und empfiehlt Gießern, Industrie 4.0 auch als Basis für zusätzliche neue Aktivitäten einzusetzen: „Nur wenn ich aus den Daten auch weitere der Produktion nachgelagerte Funktionen/Nutzervorteile einbringen kann, kann ich mich vom Markt absetzen.“ Dazu ist es nötig, die Daten zu verstehen, die beispielsweise aus Bauteilen gewonnen werden können, und die Schnittstelle zu Kunden als Plattform für neue Dienstleistungen zu nutzen. Die erwähnte „Casttronics-Technologie“ und die damit verbundene Digitalisierung der Druckgussteile eröffnet auch die Chance, deren Daten zu verwerten und die Wertschöpfungskette zu verlängern [4].
Die Fachmesse EUROGUSS 2020
Einen Einblick in den Stand der Druckgießtechnik und Anregungen, wie Druckgießereien ihre Marktstellung stärken und ausbauen können, aber auch rund um Ressourceneffizienz und Umweltschutz, gibt die Internationale Fachmesse für Druckguss EUROGUSS, die vom 14. bis zum 16. Januar 2020 in Nürnberg stattfindet. Zur EUROGUSS-Familie gehören neben der EUROGUSS die außereuropäischen Druckguss-Fachmessen China Die Casting, Alucast in Indien, EUROGUSS Asia Pacific in Thailand und EUROGUSS Mexico.